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Schwuler Winterschlaf

Ich habe mich verkrochen.
Es gilt, eine Durststrecke zu überwinden.
Auf halber Strecke gingen mir die Vorräte aus, ich wurde schwach und fiel.
Fiel in einen Schlaf.
Ein komatöser Dämmerzustand.

Wann ich aufwachen werde? Schwer zu sagen.
Zum Aufstehen fehlt mir die Kraft, mein Kopf ist leer.
Die Illusionen sind verschwunden.

Dann drückte sich die Realität durch einen winzigen Spalt hinein.
Ein eisiger Windhauch, so kalt, dass er auf der Haut brennt.
„Du bist nicht da, um mich zu wärmen“, möchte ich rufen.

Doch es gibt kein Du mehr. Es gab nie ein Du für mich.
Es gibt ein unbestimmtes, verzweifeltes „Ihr“.
Irgendjemand von Euch.
Aber natürlich meine ich nicht irgendwen.

Und so warte ich, lese Buch um Buch, versuche meine bittere Realität mit Illusionen wohnhafter zu gestalten. Und siehe da, es funktioniert.
„Der Winter naht“, ruft es mir entgegen.
Ich schmunzele, weil der Winter schon längst da ist.

Wie in diesem Buch kommt nach einigen Jahren auch wieder ein Sommer.
Auch die Figuren warten auf den einen, den endlosen Sommer.
Und bis es soweit ist, halte ich einfach schwulen Winterschlaf.

22.4.2012

Morgengrauen (Augustin, Teil 4)

Ich streichle durch dein Haar, während du von mir träumst. In diesem Moment ist noch alles perfekt. Ich kann nicht schlafen, wenn du neben mir liegst.

Ich will dich wach erleben. Lebe deinen Traum – ich halte nichts von Binsenweisheiten. Aber ich muss dich wach erleben.

Erinnerungen anhäufen. Diesen Moment brenne ich ein. Nicht auf der Haut, vielleicht in meinem Gedächtnis. Ich fürchte, es brennt sich hinunter bis auf meine Seele.

Dieser Moment wird für immer ein Teil von mir sein – und du mit ihm. Ich bereue es nicht, auch wenn ich den Preis dafür kenne. Dieser Moment ist die seltene Belohnung. Ich küsse dich auf die Wange. Ich fühle mich ein bisschen wie Cinderella, ich könnte kotzen vor Glück.

Ich bin diese Schmetterlinge in meinem Bauch nicht gewohnt. Wie Zombies drehen sie durch, als wollten sie mich innerlich zerfetzen. Sie sind zu viele Tode gestorben und kosten diesen Augenblick zurück im Leben vollends aus. Ich kann es ihnen nicht verübeln.

Doch was folgt, ist schlimmer als jeder Pakt mit dem Teufel. Du wachst auf. Dein Blick wechselt von Panik zu Selbsthass. Ich ertrage es, schlucke ein paar Brocken Schmetterlinge zurück in den Magen.

Mein Herz rast noch immer, es wird Zeit, dass ich den ersten Kaffee trinke. Das Frühstück wird zum lästigen Ritual. Wir begrüßen nicht den neuen Tag, wir nehmen Abschied. Egal, wie reich ich den Tisch decke, du lässt dich nur zu einem Kaffee herab – und eine Zigarette. Ich würde gegen alle Regeln verstoßen und dich drinnen rauchen lassen. Der Rauch würde wochenlang in der Wohnung hängen, doch es wäre ein unumstößlicher Beweis für mich, dass du wirklich hier warst.

Ich weiß, du meinst es nur gut, denn du gehst auch heute wieder auf den Balkon, doch für mich wirkt es, als würdest du mir selbst dieses Souvenir verwehren.

Ich zittere sowieso schon, also folge ich dir in die Kälte. Das Feuerzeug flammt auf, du nimmst den ersten Zug.

„Gut geschlafen, Kleiner?“, du atmest einen Wolke Fürsorglichkeit aus.

Ich versuche dir den gleichen Blick zu schenken, mit dem ich dich beim Schlafen beobachtet habe.

„Kleiner, alles in Ordnung?“, der Blick gelingt mir nie.

„Ich… bin den Rauch einfach nicht gewohnt“, meine Augen tränen. Ich hasse Raucher.

„Wills du nicht reingehen? Es ist arschkalt. Du zitterst ja schon“, er erstickt seine glimmende Sucht vorzeitig im Schnee. „Lass uns noch rasch ne heiße Duschen nehmen, bevor ich gehe“.

Die Folter erreicht ihren eigentlichen Höhepunkt.

Die Erinnerungen reichen nie lange aus, um diesen Moment immer und immer wieder durchzuspielen. Was ich dir alles hätte sagen können. Worüber wir alles hätten reden können.

Ich stelle mir vor, wie ich genau die richtigen Worte gefunden hätte und dich zum Bleiben überredet hätte. Nur eine Stunde länger, du hättest mir ein weiteres Leben geschenkt.

Doch ich weiß, dass es nichts gibt, dass dich vom Gegenteil überzeugt.

Ich wünsche mir ein photographisches Gedächtnis, doch auch dieser Wunsch ist hoffnungslos. Ich sehe uns nur noch wie durch den Duschvorhang. Das Bild von uns verschwimmt immer stärker.

Die Schmetterlinge rumoren und drängen sich als Brei meine Speiseröhre hoch.
Sie haben sich durch das verbrannte Loch in meiner Seele gefressen.

Alles, was mir von dieser Nacht bleibt, ist der brennende Geschmack von dem, was wir hätten sein können.

Du verlangst eine Richtigstellung (Augustin, Teil 3)

Ok, wow. Ich muss dich erstmal sacken lassen.

Du hast auf meine Blogeinträge reagiert. Du hast mich gefunden, obwohl du hier eigentlich nicht mitliest.

Ich wurde sprachlos, als du auf der Party gestern aufgekreuzt bist.
Eine Sekunde der Freude, ein Moment des Triumphs, sie währte nur kurz. Fremde Jungs tuschelten mit dir, blickten zu mir herüber, dann kamst du auf mich zu.

Es würde dir nicht gefallen, dass ich über dich schreibe. Nur du selbst konntest wissen, dass du gemeint warst.

Aber ich lasse mir nicht das Wort verbieten und für meine Gefühle kann ich nichts.
Sie sind nichts schlechtes und ganz ehrlich: es ist nicht mein Problem, wenn du mit ihnen nicht umgehen kannst.

Das habe ich dir gestern allerdings so nicht gesagt.

Denn es geht hier nicht um uns. Es geht um mich in Bezug auf dich.

Egal, wenn es dir nicht in den Kram passt, dass ich hier so „öffentlich“ meine Gefühle für dich breittrete. Wie ich in Gedanken über dein Liebesleben philosophiere und damit meinen Blog füttere.

Ja, ich geb es zu, ich wusste nicht, was du so treibst und doch geht es mich noch etwas an.
Deshalb tu nicht so, als wäre ich dir peinlich, oder gar meine Gefühle zu dir.
Oder als könnte irgendjemand deine Identität erraten.

Nicht mal J. kann erraten, wer du bist. Oh, ich seh schon, wie Eifersucht in deinen Augen aufblitzt.
Nein, es geht immer noch nicht um J., aber er illustriert perfekt, was du dir nicht einzugestehen trautest: dir behagt nicht das Gefühl, dass ich mich auch mit anderen Jungs treffe.

Gestern hat er schnell reagiert und Abstand gehalten, als er dich gesehen hat.
Damit du bloß nicht auf falsche Gedanken kommst.

Wo wir es gerade davon haben: Du bist derjenige, der mir Hoffnung gemacht hat, der, der den ersten Schritt wagte.
Hast selbst gesagt, dass es dir heute nicht um Sex ging, nicht nur.
Dass wir mehr sind.
Dabei weißt du immer noch nicht, was du willst. Denn küssen, küssen ist nicht.
Das geht dir zu weit.

Dabei musst du es dir nur eingestehen: du willst mich. Noch immer.

Ja, du hast meine Frage noch nicht beantwortet, ich weiß noch immer nicht, was du so treibst.
Und doch geht es mich etwas an. Vor allem, seit der letzten Nacht.

Mein Traum von uns (Augustin, Teil 2)

Du hast auf meinen letzten Blogeintrag nicht reagiert und ich bin nicht überrascht. Doch heute geht es nicht um dich, nicht wirklich. Es geht um mich.

Denn ich habe schon wieder von uns geträumt. Von mir und dir, gemeinsam Arm in Arm. Es fühlte sich so real an, fast, als liefen wir in diesem Moment wahrhaftig die Straße entlang. Und es fühlte sich vor allem richtig an.

Dabei war es nur eine Vorstellung, mein Wunschtraum nach deiner Berührung. Das Aufwachen war ein Schlag bitterer Enttäuschung. Denn man hat uns nie zusammen gesehen, nicht öffentlich. Nicht offensichtlich. Nicht wirklich.

Das ist okay für mich. Du bist nicht geoutet, deine Mutter weiß nicht Bescheid. Deine Kollegen auch nicht. Alles kein Problem, ich war ja für dich da. Besser gesagt: wäre.

Denn sobald ich aus dem Traum erwache und meine Augen öffne, bist du weg und mit dir zerfällt die Illusion einer Vergangenheit, die wir so nie hatten. Nur das stechende Gefühl unserer Trennung bleibt. Und jedes Mal, wenn ich wieder von uns träume, wird es stärker.

Hast du jemanden in Aussicht? (Augustin, Teil 1)

Was für eine Frage. Natürlich hast du das. Du bist das Angebot und die Nachfrage nach dir ist groß. Vielleicht sogar gewaltig. Mein Verlangen nach dir ist unendlich, aber darum geht es heute nicht. Ich bin weit weg und du bist nicht da.

Ich denke viel zu oft an dich, meistens suchst du mich in meinen Träumen heim. Und selbst dann habe keine Ahnung, was du treibst. Deshalb frage ich dich jetzt. Denn es geht heute nicht um mich, sondern um dich.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so lange Single geblieben bist. Und selbst wenn, hast du bestimmt jemanden in Aussicht. Jemand der besser aussieht als ich, witziger ist, dich zum Lachen bringt. Der nicht wie ich ist, denn genau das ist ja der Punkt. Kein Ersatz, sondern ein ganz anderes Modell.

Ihr seht euch bestimmt regelmäßig, verabredet euch zum Essen. Auf Partys lauft ihr euch über den Weg. Die Erinnerungen an mich wird verdrängt von der Überlegung, was dich daran hindert, dich auf ihn einzulassen. Oder auf einen der anderen Jungs, egal.

Ich schätze, was ich wohl eigentlich fragen will ist: Bist du glücklich, so ohne mich?

Wir zwei. Und jeder andere.

Da sah ich zwei. Wie wir, vielleicht noch etwas hübscher. Der eine sah dir total ähnlich, mit den schwarzen Haaren und dem dunklen Taint. Der andere hatte mein Lächeln. Mein Lächeln, dass sich in den seltenen Momenten zeigte, in denen wir zusammen waren.

Da sah ich zwei. Zwei wie wir. Vielleicht beste Freunde, beide lächelnd. Ich musste sofort an uns denken. An dich und ich. Das hätten wir sein können. Wir zwei. Nur in glücklich.

Du sagtest, du kannst nicht. Du hast viel gesagt, was mich nachdenklich gestimmt hat.
Ich, sagtest du, ich könnte jeden haben.
Mindestens in diesem Punkt hast du die Wahrheit gesagt.

Leidenschaftliche Hoffnungslosigkeit

Wenn ich nicht weiß, in wen ich mich verlieben könnte, dann besinne ich mich einfach auf den Katalog meiner unerfüllten Herzschmerzeleien.

Dann ist mein Beuteschema ziemlich simpel:
Ich wähle das, was ich kenne und jage den, den ich nicht haben kann.

Eine gefährliche Mischung, wenn sich beides in einer Person vereint.
Ein perpetuum Mobile der leidenschaftlichen Hoffnungslosigkeit.

Das beschäftigt mich dann wieder für eine Weile und auch meine Playlist an tieftrauriger Musik findet so endlich wieder Verwendung.

Wenig ist stärker als alte Gefühle. Diese Sehnsucht, die Tagträumereien, die Gedanken an ihn, die Hoffnung auf eine Zeit, in der wir endlich glücklich zusammen sind.

Es webt ein Seil, das uns von je her verbunden hat und mit der Zeit immer immer stärker wurde: Vertrautheit umwickelt von Sehnsucht, unerfülltes Verlangen durchstochen von Aussichtslosigkeit.

Das Band bleibt, bleibt, bleibt, bleibt. Denn wenn es sich auflöst, durchtrennt oder plötzlich verschwindet, dann bin ich wieder allein.

Mit wem ich letzte Nacht nicht nach Hause bin

Die schwule Szene, das ist für mich eine regelmäßig stattfindende Party. Da, wo ich herkomme, heißt regelmäßig: alle ein bis zwei Monate. Zeit genug, um das zu verdrängen, was ich dort gesehen habe.

Im besten Fall werden auf solchen Partys die Gayromeo-Profile lebendig: Ich erkenne viele Gesichter wieder (an ein paar hübsche erinnere ich mich gerne zurück), bei anderen fällt mir erst zu spät ein, dass ich das Profil mal geöffnet oder gar mit der Person gechattet habe.

Im schlimmsten Fall werden auf solchen Partys die Gayromeo-Profile lebendig. Man erkennt plötzlich Gesichter oder ähnliche Körperteile wieder, erinnert sich daran, dass man sowas schon mal gesehen hat oder gar von einer Person angeschrieben worden ist.

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber meistens erkenne ich die Leute nicht anhand ihres Profiles. Vielleicht, weil die Fotos alt, unvorteilhaft sind oder die Person einfach nicht so darstellen, wie sie eigentlich ist. Da werden männliche Hengste schnell zu passiven Diven: der Bart bleibt, den Hüftschwung konnte auf dem Foto niemand erahnen.

Aber ansprechen? Es gibt wohl diese Regel, dass man einfach nicht miteinander spricht, wenn man sich sieht oder wiedererkennt. Oder einfach nett findet. Mit nett ist in diesem Fall geil gemeint. Wenn überhaupt bekommt man hinterher(!) eine Nachricht: „Hey, du bist gestern an mir vorbeigelaufen“. Meistens liefern sie aber nicht solche Steilvorlagen, die man mit einem „Warum hast du mich dann gestern nicht angesprochen? Jetzt nützt mir das auch nichts mehr!“ kontern könnte.

Nein, es ist meist perfider. Sie warten nämlich bis zum Schluss in ihrem Versteck, beobachten dich und schreiben dir dann am nächsten Tag eine Nachricht, mit der sie wohl Wissen und Überlegenheit ausdrücken wollen, jedoch nicht ernsthaft eine Antwort erwarten können, wenn sie schreiben: „Naa, hab dich gestern auf Party gesehen. Mit wem biste da denn heim? *grins* “

Gerne würde ich dann antworten „Tja, leider nicht mit dir.“ Doch meistens antworte ich dann nichts, die Chance ist erstmal vertan, auf der Party hätte ich mich ohne Probleme mit ihm unterhalten können, doch jetzt bleibt mir nur wieder das Profil, anhand dessen ich entscheiden muss, ihn im Nachhinein zu treffen. Meistens entscheide ich mich dagegen.

Was bleibt ist also ein Abend auf einer Party, mit Leuten, mit denen man alle etwas gemeinsam hat. Doch es scheint keine Eigenschaft zu sein, die vereint. Eher versucht man sich, möglichst weit von dem anderen zu distanzieren und ihn gar mit Blicken noch herabzusetzen.

Bloß niemanden real ansprechen, er könnte am Ende kein Interesse haben. Das verträgt sich natürlich nicht mit dem eh schon bröckeligen Ego. Und so finde ich mich einen Abend lang alleine tanzend auf der Tanzfläche wieder, gut sichtbar und doch unangesprochen.

Es ist ja nicht so, als wollte ich niemanden ansprechen. Das Problem ist nur, dass ich niemanden sah, den ich ansprechen wollte. So ist das eben, da wo ich herkomme. Hier heißt regelmäßig: alle ein bis zwei Monate. Zeit genug, um zu verdrängen, dass ich dort nicht das gefunden habe, was ich mir erhofft hatte. Zeit genug, um neue Hoffnung zu schöpfen. Beim nächsten Mal klappt es bestimmt.

Du bist es nicht. Offensichtlich.

Geschockt starre ich in ein Gesicht, da auf dem Bildschirm.
Ich beginne zu zittern. Dabei bin ich eigentlich ruhig. Totenstarr.
Als hätte ich ein Gespenst gesehen, besser gesagt: Dich.

Doch du bist es nicht. Offensichtlich.
Er sieht dir nicht ähnlich, aber er ähnelt dir so unglaublich.
Der gesenkte Kopf beim Reden, diese nachdenkliche, verträumte Art, dann wieder der aufmerksame Blick.
Seine tiefen, dunklen Augen, traurig und voller Geheimnisse, sie schauen mich direkt an.
Das Zittern wird zu einem Beben. Nicht ich wackele, sondern mein Zimmer, die Wände.
Sie beben. Vor Anspannung. Ich erkenne Dich – und alle alten Gefühle flammen wieder auf.

Er ist wie du. Ich glaube es nicht. Er ist wie du.
Es ist, als ob du mich anschaust, als ob ich dir wieder gegenüber sitzen würde, wieder mit dir reden könnte.
Ihr sagtet, ich wäre jemand, den ihr küssen würdet. Zärtlich, auf einer Party.
Ihr seid nicht die selbe Person, doch eine Eigenschaft ist euch gemein: ihr seht keine Zukunft mit mir.
Doch nur er sagte mir unmittelbar ins Gesicht, dass er jemand anderes suche. Nicht mich.

Ein Geschenk von Herzen

Das kleine, selbstzerstörerische Mädchen zitterte, das blutende Messer in ihrer Hand tropfte die Fließen voll.
Die ganze Zeit über trug sie es in sich, nun hielt sie es in der Hand, fühlte die letzten Pumpenschläge. Schwächlich und kaputt war es, abgenutzt.

Sie hatte es zu oft versucht zu verschenken, doch bekam es immer gleich wieder zurück. Sie sinnierte über den Grund der Rückgabe, betrachtete den roten Klumpen: attraktiv sah er nicht aus. War wohl nicht gut genug gewesen, das dumme Ding.

„Damit ist nun Schluss“, dachte sie sich, zermetzelte das nun nicht mehr schlagende Fleisch, tat die Fetzen einzeln in winzige Geschenkpakete, band ein Bändchen drum und schickte es wieder an all die Nicht-Ex-Freunde, die ihr Herz über die Jahre verschmäht hatten.

Und die Moral von der Geschicht? Für die große Liebe reichte sie nicht.

Ein Moment mit dir

Zuerst fand ich dich doof.
Du entsprichst nicht meinem Idealbild eines Mannes.
Du bist kein Alphamännchen, kein Covermodel, kein Holzfäller.

Laut, auffällig, anstrengend.
Bloß nicht, bloß nicht!
Und doch, du hast mein Interesse geweckt.

Vielleicht war es einer dieser seltenen Momente,
hoch konzentriert und in die Ewigkeit gedehnt.
Ein Satz, ein Lächeln, dann zündete der Funke.

Wir unterscheiden uns bestimmt in vielen Dingen,
Sind komplett verschieden.
Vielleicht bist du gefühlvoll und mitreißend.

Ich weiß noch nicht einmal, ob du schwul bist.
Warum lächelst du mich immer an, wenn wir uns begegnen?
Ach, ich bin gerne bereit, es bei einem Drink herauszufinden.

Das Markenzeichen

Kuschelnd wärmten wir uns, küssend teilten wir uns ein Bett.
Heiß waren die Nächte, heiß war dein Körper, unvergleichlich die Wärme, die ich spürte.
Die Betten wechselten, das muss keiner wissen, aber die Handlung blieb gleich.

Als Team erklommen wir zahlreiche Höhepunkte. Lange schossen wir zusammen durch die Lande.
Es war intim, meist privat. Oft blieben wir unter uns, exklusiv wurden wir aber nie.
Habe vieles von dir gelernt, von deiner Erfahrung profitiert.

Du bist ein gefragte Lehrmeister, zeigst allen, wo es lang geht.
Ich war ein williger Schüler, dankbar über jede Lektion, über jede Stunde unter dir.
Der Preis, den ich zahlte, war hoch.

Beinahe trieb es mich in den Ruin. Mein Herz war wertlos für dich.
Hinterrücks branntest du mir eine Narbe ein.
Niemand kann sie sehen.

Nur Sex muss schöner sein

Man liebt sich und macht Liebe.
Im besten Fall entfaltet sich dabei auch noch die Macht der Liebe.
Aber hey, es geht auch ohne.

Aus unzähligen Pornos habe ich gelernt:
Schöne Menschen haben schönen Sex. Einfach so.
Unbehaart, eben volljährig, spindeldürr und mit dicken Gliedmaßen.

Hauptsache ER ist schön. Sein Schwanz, sein Hinterteil, sein Hodensack, seine Bauchmuskeln, sein Körperfettanteil, sein Kopfhaar.

Nur schöne Menschen haben guten Sex.
Klar, ich will auch keine hässlichen Menschen beim Sex zugucken.
Da mach ich zu Not auch lieber das Licht aus.

Ja, Sex ist nur schmutzig, wenn er richtig gemacht wird.
Aber davon, dass man das Gleitgel auch nach dem Duschen nicht vollständig aus dem Arsch bekommt, erfährt man nichts.

 

Bis ich es nicht mehr ertrug

Stell dir vor, du trägst eine große Last mit dir. Ein Geheimnis, ein Unbehagen, Ängste, Befürchtungen, Altlasten, Sorgen oder Nöte. Von dir und anderen Menschen, die dir am Herzen liegen.

Ich trug sie alle. Tag für Tag auf meinen Schultern, unterm Arm geklemmt – in Kisten verstaut, damit ich den Inhalt nicht sehen musste.

Ich balancierte und versuchte, alles irgendwie im Gleichgewicht zu halten. Doch einige Hürden konnte ich damit nicht meistern – und so brach es alles immer wieder über mir zusammen.

Für die anderen setze ich ein Lächeln auf, ließ mir nichts anmerken. Und wenn doch, machte ich gute Miene zum bösen Spiel. Für mich war das normal, die Unsicherheit im Alltag.

Bis es alles zuviel wurde. Ich nahm meinen Mut zusammen und öffnete eine Kiste. Notgedrungen  zeigte ich sie einer anderen Person. Ich teilte mit ihr deren Inhalt, sie sollte einen Blick in die Kiste werfen.

Die Kisten waren mittlerweile leer.

Die Last ist von mir genommen, die Zuversicht ist zurück. Nein, sie ist zum ersten Mal endlich wieder da.

Ich weiss es, ich freue mich. Ich atme tief durch.

Ich lebe.

DER Artikel. Über meine Homosexualität, Schubladen und TV-Musicals.

Dieser Artikel ist episch. Episch, wegen seiner enormen Länge. Episch, weil es endlich an der Zeit war, dass ich diesen Text schreibe. Episch, weil er endlich mal Klartext über das heutige Schwulsein redet.

Ernsthaft, ich habe Glee kennen und lieben gelernt. Glee, das ist die Serie im US-TV, die neben Gesangseinlagen auch eine hohe Minderheitenquote aufweist.

So finden wir, neben dem Jungen im Rollstuhl, der übergewichtigen und stimmgewaltigen Schwarzen Afroamerikanerin und der schwangeren Cheerleaderin, auch den modebewussten, sensiblen Schwulen, der auf den singenden Quarterback steht, ohne wirklich auch nur den Hauch einer Chance bei ihm zu haben.

Ernsthaft. Damit soll ich mich identifizieren?


Erfrischende Erinnerung

Ich betrete diese Bar zum ersten Mal.
Ich war hier noch nie, die Stadt, ja selbst das Land ist mir neu.
Ich bin wieder Frischfleisch für euch, wie das bei jedem Neuzugang so ist.

Eure Gesichter sind mir neu. Ihr seid alle noch interessant, unverbraucht.

Ihr seid mir lieber fremd als unangenehm vertraut. Das ist gut, denn es kleben keine Erinnerungen daran, nichts verdrängtes, nichts, das ich lieber nicht getan hätte.

Keine Erinnerung an Küsse in betrunkenem Zustand, keine Blasarbeit auf dem vollgekotzen Klo, kein Puderzucker am Zahnfleisch.

Kein verkatertes Aufwachen, keine böse Überraschung, die neben mir liegt.

Keine gemeinsamen Fummeleien auf der viel zu engen Rückbank deines Autos, kein Wichsen im Wald, da hinten im Gebüsch während dem Regensturm im letzten Frühling, wo neben einem Ast auch ein Herz gebrochen wurde.

Nichts davon verbinde ich in Gedanken mit diesem Ort.
Dieser Ort ist für mich so unbefleckt wie euer Bild von mir.

Ihr habt jetzt einen Abend Zeit, mich kennen zu lernen. Ich drehe mich um, da laufe ich in den gutgebauten Körper eines mir unbekannten Gesichts.
Hallo, sage ich. Ich bin nicht von hier – wollen wir zusammen Erinnerungen erschaffen?

Befremdlichkeiten

Du hast mich in meinem schwachen Moment erwischt. Ich schaue nur zu dir hinüber, bin wie gelähmt.
Ich habe einen Rückschlag erlebt, mir wurde vorgehalten, wie ich eigentlich nicht sein will.
Besser gesagt: nicht mehr sein wollte.
Ich bin nicht perfekt, war es nie. Ich will es sein. Das weißt du alles nicht.

Du kanntest mich noch gar nicht. Doch meine Wunde ist offen, sichtbar für dich, sonst für alle verborgen.
Mein Gesicht ein offenes Buch.
Habe mein Lächeln nicht auf, darunter der tieftraurige Blick.

Könnte er sprechen, er würde dir sagen: „Schau mich nicht an, geh weg!“

Dabei schreit es innerlich. Doch ich bin unfähig, zu sagen: „Komm zu mir rüber, Fremder – sprich mich an, und setze mir wieder ein Lächeln auf.“

Zusammen treffen

Der Anfang ist immer das Schwerste. Manchmal ist es das Ende:
Manchmal bleibt kein anderer Weg, als sich zu verabschieden.
Dann führt kein Weg daran vorbei, man muss von seinem Ziel ablassen und umkehren. Doch die Sackgasse erkennt man erst, wenn es nicht mehr weitergeht.

Der Wille treibt uns an, der Wunsch, das Verlangen nach Veränderung. Ein Prozess, der in uns schlummert. Und wenn wir ihn selbst nicht in Gang setzen können, so suchen wir uns jemanden, in den wir all unsere Hoffnung setzen können, dass er dazu im Stande ist.

Er verbessert unser Leben, indem er uns verändert.

Natürlich wird dies nie passieren. Man muss sich überwinden und den Anfang machen. Niemand verändert uns, wir verändern uns höchstens für jemand anderen.

Zuerst erkennt man es nicht, denn man läuft fröhlich gemeinsam in die Sackgasse hinein. Dann geht es nicht mehr weiter – und man steht zusammen vor besagter Wand.

Dann führt kein Weg daran vorbei, man muss von seinem Ziel ablassen und umkehren. Manchmal bleibt kein anderer Weg, als sich zu verabschieden. Manchmal muss man seinen Weg alleine gehen, um am Ziel wieder zusammen zu treffen.

Der Anfang ist immer das Schwerste.

Gaydar weg

Ich seh’s einfach nicht. Ob jemand schwul ist. Und überhaupt: Nichts!

Nur wenn es schon offensichlich ist, seh ich es. Wenn er mich direkt anspringt, sozusagen.
Aber ich steh nun mal einfach nicht auf weibliche Züge. Da schaudert es mich.

Ich erkenne es nicht, wenn ein Mann schwul ist. Dann, wenn er es selbst nicht so recht weiß.
Wenn er nicht offen schwul lebt, sondern sich heimlich vergnügt. Dann ist es nicht offensichtlich.

Meine Lösung: ich mach das subjektiv, nach Bauchgefühl. Wenn er mir gefällt.
Ich WILL dann, dass er schwul ist. Dann deute ich das so hin. Und da dulde ich keinen Widerspruch. Ganz besonders nicht von ihm. Und schon gar nicht von seiner Freundin!

Ich werde dich trösten

Zwei Tage später. Wir saßen zu zweit auf meinem Bett. Er hielt mich fest, drückte mich an sich.
Ich spürte seinen heißen Atem an meinem Ohr.
Es war, als würdest er flüstern: „Ich brauche dich.“

Denn so war es auch! Ich hatte ihn gebändigt, gezähmt.
Oh Junge, dieser Tiger fraß mir aus der Hand. Er war mir von Kopf bis Fuß verfallen.

Dieser Moment war zu gut, um ihn je enden zu lassen. Ich wollte ihn konservieren, eintüten.
Mein Körper bebte in stiller Vorahnung auf die bevorstehende Nacht. Ich würde ihn nie mehr gehen lassen können.

Ich strich ihm die Träne von der Wange. Knöpfte ihm sein Hemd auf. Strich über seine Bauchmuskeln.

Mit seinen starken Armen beugte er sich über mich. Auf dem Rücken liegen sah ich ihm in die Augen.

So schwach, so verletzlich. Tiefere und ehrlichere Augen als die seinen hatte ich schon sehr lange nicht mehr gesehen.

„Los,“ flüsterte ich, „das wird dich trösten.“