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Morgengrauen (Augustin, Teil 4)

Ich streichle durch dein Haar, während du von mir träumst. In diesem Moment ist noch alles perfekt. Ich kann nicht schlafen, wenn du neben mir liegst.

Ich will dich wach erleben. Lebe deinen Traum – ich halte nichts von Binsenweisheiten. Aber ich muss dich wach erleben.

Erinnerungen anhäufen. Diesen Moment brenne ich ein. Nicht auf der Haut, vielleicht in meinem Gedächtnis. Ich fürchte, es brennt sich hinunter bis auf meine Seele.

Dieser Moment wird für immer ein Teil von mir sein – und du mit ihm. Ich bereue es nicht, auch wenn ich den Preis dafür kenne. Dieser Moment ist die seltene Belohnung. Ich küsse dich auf die Wange. Ich fühle mich ein bisschen wie Cinderella, ich könnte kotzen vor Glück.

Ich bin diese Schmetterlinge in meinem Bauch nicht gewohnt. Wie Zombies drehen sie durch, als wollten sie mich innerlich zerfetzen. Sie sind zu viele Tode gestorben und kosten diesen Augenblick zurück im Leben vollends aus. Ich kann es ihnen nicht verübeln.

Doch was folgt, ist schlimmer als jeder Pakt mit dem Teufel. Du wachst auf. Dein Blick wechselt von Panik zu Selbsthass. Ich ertrage es, schlucke ein paar Brocken Schmetterlinge zurück in den Magen.

Mein Herz rast noch immer, es wird Zeit, dass ich den ersten Kaffee trinke. Das Frühstück wird zum lästigen Ritual. Wir begrüßen nicht den neuen Tag, wir nehmen Abschied. Egal, wie reich ich den Tisch decke, du lässt dich nur zu einem Kaffee herab – und eine Zigarette. Ich würde gegen alle Regeln verstoßen und dich drinnen rauchen lassen. Der Rauch würde wochenlang in der Wohnung hängen, doch es wäre ein unumstößlicher Beweis für mich, dass du wirklich hier warst.

Ich weiß, du meinst es nur gut, denn du gehst auch heute wieder auf den Balkon, doch für mich wirkt es, als würdest du mir selbst dieses Souvenir verwehren.

Ich zittere sowieso schon, also folge ich dir in die Kälte. Das Feuerzeug flammt auf, du nimmst den ersten Zug.

„Gut geschlafen, Kleiner?“, du atmest einen Wolke Fürsorglichkeit aus.

Ich versuche dir den gleichen Blick zu schenken, mit dem ich dich beim Schlafen beobachtet habe.

„Kleiner, alles in Ordnung?“, der Blick gelingt mir nie.

„Ich… bin den Rauch einfach nicht gewohnt“, meine Augen tränen. Ich hasse Raucher.

„Wills du nicht reingehen? Es ist arschkalt. Du zitterst ja schon“, er erstickt seine glimmende Sucht vorzeitig im Schnee. „Lass uns noch rasch ne heiße Duschen nehmen, bevor ich gehe“.

Die Folter erreicht ihren eigentlichen Höhepunkt.

Die Erinnerungen reichen nie lange aus, um diesen Moment immer und immer wieder durchzuspielen. Was ich dir alles hätte sagen können. Worüber wir alles hätten reden können.

Ich stelle mir vor, wie ich genau die richtigen Worte gefunden hätte und dich zum Bleiben überredet hätte. Nur eine Stunde länger, du hättest mir ein weiteres Leben geschenkt.

Doch ich weiß, dass es nichts gibt, dass dich vom Gegenteil überzeugt.

Ich wünsche mir ein photographisches Gedächtnis, doch auch dieser Wunsch ist hoffnungslos. Ich sehe uns nur noch wie durch den Duschvorhang. Das Bild von uns verschwimmt immer stärker.

Die Schmetterlinge rumoren und drängen sich als Brei meine Speiseröhre hoch.
Sie haben sich durch das verbrannte Loch in meiner Seele gefressen.

Alles, was mir von dieser Nacht bleibt, ist der brennende Geschmack von dem, was wir hätten sein können.