Monthly Archives: Februar 2013

Seelsorge (#Valentin, Teil 2)

Was bisher geschah: Teil 1 

Das Telefon knackst und herzzerreissendes Schluchzen meldet sich.

„ER war wieder hier“.

Obwohl ich mir denken kann, was passiert ist, lasse ich ihn selbst erzählen. Er braucht ein paar Anläufe, bevor er aus seinen Fehlern lernt, aber das weiß er selbst, eigentlich.

„Ist dir kalt? Ich höre ja das Zittern in deiner Stimme“ sein Schluchzen wird leiser.
„Warum denke ich auch immer, dass es dieses Mal anders ist…“

„Manche Typen ändern sich nicht…“, ich muss aufpassen, nichts Falsches zu sagen, das will er jetzt nicht hören, und es würde ihm nicht helfen, “…so schnell.“

„ABER Das geht schon viel zu lange so. Ich dachte ja, ich wäre über ihn hinweg, aber dann war er gestern plötzlich auf der Party und kam rüber“

„Achso, er war auf der Party.“ Mir fällt ein Stein vom Herzen. Solange sie nicht miteinander in der Kiste waren, besteht eine gute Chance, dass der Kleine heute nachmittag wieder lachen kann.
„Genau, also… zuerst jedenfalls.“

„Oh nein“, scheisse, hab ich das laut gesagt?

„Er wollte mit nach Hause kommen, nur reden, zuerst. Wir waren angetrunken und er hat mir doch so gefehlt. Ich fand es schön, dass er sich wieder für mich interessiert hat und dann…“

„Dann habt ihr…?“

„Ja, verdammt, ich habe mit Augustin geschlafen!“

Die nächste Stunde verbringe ich mit dem Kleinen am Telefon und räume dabei nicht nur seine Scherben auf, sondern auch meine Wohnung. Warum wir Jungs auch immer so einen Saustall hinterlassen müssen.

Fortsetzung gibt es hier.

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Schlachtfeld (#Valentin, Teil 1)

Ich wache in einem Klischee auf. Mein Schädel brummt, ich werde zu alt für diesen Scheiss. Ich schäle mich aus dem verschwitzten Laken. Es ist ungewohnt, alleine aufzuwachen. Die Stelle neben mir riecht noch nach ihm, ich bilde mir ein, noch seine Wärme zu spüren… – warum ist er schon aufgestanden?

Das Schlafzimmer ist noch abgedunkelt. Die Teelichter habe ich schon vor langer Zeit durch elektrische Kerzen ersetzt. Das ist fast genauso romantisch, aber ich bin einfach aus dem Alter raus, in dem ich mich um ONS bemühe.

Es rauscht die Klospülung. Ist er etwa noch in der Wohnung? Ein drängendes Gefühl überkommt mich. Das Laken muss warten. Ich stehe auf und suche ihn. Ich will ihn küssen, bevor er verschwindet. Sorry, mein Fehler, ihr kennt ihn ja noch gar nicht. Nennen wir ihn einfach „Valentin“. Ein bisschen verklärte Romantik versprühen, um den Geruch von Sex zu überdecken.

Im Flur treffe ich auf gleißendes Sonnenlicht. Für einen Moment taste ich mich blind am Bilderrahmen entlang und haue mir den großen Zeh an einer leeren Sekt-Flasche an. An meinem Fuß klebt eine leere Kondompackung. Dann sehe ich das Schlachtfeld.

Ja, die letzte Nacht muss episch gewesen sein. Ich grinse, auch wenn ich mich gerade nur bruchstückhaft erinnern kann. Mein Kopfkino gleicht einer schlechten Raubkopie, die durch das unsägliche Piepen der Küchenuhr noch stärker in den Augen sticht. Filmriss um 10 Uhr morgens. Eigentlich die perfekte Uhrzeit, auch wenn ich heute auf den Kater verzichten könnte. Ich suche nach einer Ibuprofen, durchwühle die Schubladen, als die Spülmaschine rhythmisch im Takt vibriert und ich das Handy im klirrenden Besteckkorb finde. Mit Erleichterung stelle ich fest, dass noch die Reste des gestrigen Nudelauflaufs an den Tellern kleben. Das Handy hatte also noch keine Dusche hinter sich. Ich auch nicht.

Zwölf verpasste Anrufe. Scheisse. Das heißt nichts Gutes. Keine Nachricht auf der Mailbox. Der Kleine muss fix und fertig sein. Die Gedanken an Valentin und die hiesige Unordnung rutschen für den Moment in den Hintergrund, jetzt gehen Freunde vor. Ich rufe den Kleinen zurück…

Fortsetzung? Hier geht es zu Teil 2!

Coming-Out-of-Age

Das literarische Leporello der 11. Klasse gleicht einer Stock-Photo-Sammlung an künstlichen Weisheiten.
Der Kontext pasteurisiert, der Sinn ultra hocherhitzt, alle Verben verbrannt (das Ergebnis eine 2-).

Was man als Deutschlehrer ignorieren muss: Meine universelle Weisheiten sind jetzt noch länger haltbar. Die bedeutungsleere Worthüllen sind recyclebar, aber kein veganes Gewächshausgemüse ist gehaltvoller als das abgrundtiefe Thema, das die Menschheit schon immer bewegt hat. Es kann nicht verfehlt werden, aber es ist ein himmelhoher Fall.

Das Phrasenschwein der Konsumkritik quillt über vor 50-Cent-Münzen. Individualismus ist schon lange Versandkosten frei lieferbar, doch passt er nicht in meine innere Marktlücke. Kein Mittelmaß gleicht dem anderen. Eichung per Gesetz verboten.

Das Leben studiert, überfliegen Dauerbrenner dann im Billigflug die 70-Stunden-Woche, landen mit 25 ausgebrannt oder sind vor dem Umschwung ausgestiegen. Ziehen ein ins Reihenhaus auf der einsamen Insel.

Ich träume über mich hinaus und nur mein Geist wächst im gleichen Tempo mit. In einst unerreichten Höhen sah ich mich früher selbst von unten. Wir sind die selbe Person, aber wir gleichen uns nicht mehr. Die Zeiten sammeln sich zwischen uns.

Weisheit gibt es weder per Rezept noch im Testament, sondern nur mit der Zeit. Meine innere Zeitreise umspannt Menschenleben, Generationen sterben in mir und werden wieder geboren. Plötzlich existiert alles nebenher.

Heute eine neue Erkenntnis, seit Jahren eine alte Weisheiten. Notiert auf Schmierzettel, flattern sie mir fremd entgegen, wenn ich meinen Geist auswringe. Ich führe kein Tagebuch, ich entdecke mich immer wieder aufs Neue.

Mein Geist gebärt dem Tod eine Mehrzahl. Mein Körper klammert sich noch an das erste Leben. Unsterblichkeit ist ein Fluch, den jeder Aussprechen will. Der Tod eine Reise, die aus dem Katalog gestrichen wurde. Vom Segen des Alterns kann keiner etwas hören, zu laut dröhnt die Schönheit der Jugend.

Menschenskind ist groß geworden. Jetzt will es leben. Auf dem faltigen Papier nur Ratschläge von Alten, aber Erfahrungen sind gelebtes Wissen.

Wenigstens Titten.