Archiv für die Kategorie: Dipolisation

DIPOLISATION #4: Beziehungsweise

Neulich auf einer Party kam mir wieder eine Frage in Sinn, über die ich schon des öfteren nachgedacht habe: Woran erkennt man den Richtigen? Wie müsste er sein?

Reicht allein das Aussehen? Genügt ein trainierter Körper, mit wenig Fett und der richtige Menge an Muskeln? Darf man Abstriche beim Gesicht hinnehmen? Sticht ein süßes Lächeln jeden Babyspeck aus? Oder stülpt man dort eine Tüte drüber und ergötzt sich dafür an überdimensionalen Herrlichkeiten?

Sind alle gutaussehenden Jungs nicht sowieso nur an Spaß interresiert, ohne sich je Ernsthaft für eine Beziehung hergeben zu wollen? Konzentriert man sich, als Beziehungssuchender, also eher auf die inneren Werte? Ist Treue das höchste Gut? Je besser der Kerl aussehe, desto leichter geriete ohnehin er in Versuchung.
Gräbt man lieber nach dem scheuen Schönling? Gibt man sich mit dem törichten Treuling zufrieden, der es nicht einmal wagen würde, andere Jungs auch nur anzusehen?

Wie sehr dürfen sich die inneren Werten gleichen? Zwar muss auf der einen Seite Übereinstimmungen geben, aber es kann auf der anderen Seite schnell zur Verhärtung an den Fronten kommen, wenn sich zwei Stierköpfe die Hörner wund schlagen.
Darf er wissen, was ich denke? Will ich überhaupt wissen, was er denkt? Ist Wissen nicht eine Entmythisierung seiner Person? Soll er nicht so lange wie möglich interessant bleiben? Die Beziehung frisch halten?

Darf er mich zum Lachen bringen? Wie viel Kind, Clown und Draufgänger verträgt sich mit den ernsthaften, nachdenklichen und verletzlichen Charakterzügen, die er zu verbergen versucht – und die er natürlich seinerseits nur „dem Richtigen“ offenbart?

Oder ist alles im Grunde egal – Aussehen, Charakter, Alter – solange er nur genug Kohle hat? Lifestyle, Autos, Reisen, Geschenke – lässt sich so „Liebe“ in Zahlen ausdrücken? Profitorientierte Liebe – wackelt da nicht gerade in Zeiten einer Finanzkrise das geliebte Fundament?

Für den perfekten Kerl ist es wohl die richtige Mischung aus allem. Je weniger Abstriche man machen muss, umso besser, umso perfekter. Oder ist am Ende nicht jede Überlegung und Vorstellung nichtig?

Man merkt, ja weiß es doch, wenn der Richtige plötzlich vor einem steht.

Auf diesen Gedankengang folgte eine weitere, viel beängstigendere Frage: Was, wenn man den perfekten Kerl endlich gefunden hat? Einem mit jedem Treffen klarer wird: ER ist es. Niemand anderes war und wird je an ihn heran kommen. Jedes Techtelmechtel, jeder Flirt, jede andere Beziehung wird immer in seinem Schatten stehen? Mit jedem Kuss wirst du daran erinnert, dass dieser Kuss sich nicht „richtig“ anfühlt, sondern falsch. Du küsst also den Falschen.

Und was machst du, wenn der perfekte Kerl vor dir steht – und du ganz genau weißt: Ihr werdet verdammt nochmal nie zusammensein?

Dann tut es jeder andere, jeder Falsche. Und siehe da: Die Party ist voll ihnen.

Dipolsche Zoologie #1: Jungtiere

Beginnen wir unsere Reise durch die bunte Artenvielfalt der Tiere mit den Kleinsten: die Jung- oder auch Beuteltiere genannt.

Ihr Augen gewöhnen sich nur langsam an den Anblick der fremdartigen Welt, die sich ihnen nach ihrer Geburt offenbart. Lichtblitze in jeder erdenklichen Farbe und hämmernde Bässe erschweren die Orientierung. Jedoch entgeht ihnen nicht, dass sie nicht alleine sind.

Ihre Artgenossen, die trotz dem männlichen Geschlecht in der Fachsprache mehrheitlich als „Schwestern“ bezeichnet werden, liegen auf der Pirsch. Die genauen Absichten vermag auch ein erfahrener Rudelführer nicht immer zu durchschauen.

Mutige Jungtiere wagen bald den ersten Schritt ins Jagdrevier anderer Tiere, und werden leider nur allzu schnell zur leichten Beute.

Bildcredit: Zoo Antwerpen von peter ijdema bei Flickr

Dipolisation: Zischbar

Neulich in der Zischbar. Ich traf mich mit einem Jungen. Es sollte ein „Date“ sein. Ich kannte ihn noch nicht lange. Ich habe ihn irgendwo zufällig getroffen einmal, so genau weiß ich das nicht mehr.

Ich hatte schon beim Hinsetzen das Gefühl, ihn viel zu lange zu kennen. Dabei war er auf den ersten Blick ganz niedlich. Etwas hilflos vielleicht.

Nicht die Sorte, auf die ich sonst abfahre – aber man will ja nicht intolerant sein. Aus Höflichkeit habe ich ihn ausreden lassen, ihm zugehört, zustimmend mit dem Kopf genickt. Nicht etwa, um ihn ins Bett zu kriegen, sondern in der Hoffnung, dass er einmal nach Luft schnappen und mich sprechen lassen würde.

Damit meine ich etwas anderes als ein „Ja“ oder „Verständlich“. Einmal konnte ich ein „Ich hätte das Gleiche getan“ dazwischen schieben. Ich mag Menschen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Die wissen, was sie wollen. Und vor allem mag ich diejenigen, die sich nicht alles gefallen lassen und gleich den Schwanz einziehen, wenn es eng wird – und das nicht einmal sexuell gesehen.

Ja, seine letzte Beziehung lief nicht so gut – aber wen interessiert das? Mich nicht. Nicht, dass er für mich gänzlich uninteressant wäre. Aber dieses Gespräch hätte sich genauso gut um die Tragbarkeit von Unterwäsche handeln könnten!

Mist, hatte ich das gerade laut gesagt?
Seine Augen wurden groß, der Mund ging schon auf. Noch bevor ich mich entschuldigen konnte erklärte er mir (den ersten entgeisterten Satz habe ich überhört, den giftigen Blick ignoriert), dass er die Slips (von mir aus auch Boxershorts!), auch gerne mal einen Tag länger anbehalten würde.